Eine Frage der Ethik
Mit dem Zusammenhang zwischen Logistik-Arbeitsmarkt und Ethik hat sich ein spannendes Forschungsprojekt beschäftigt.
Was passiert, wenn man
Sozialwissenschaft, Ethik und Technik gemeinsam über die Schichtplanung in der
Logistik nachdenken lässt? Ein interdisziplinäres Forscher:innen-Team hat es
ausprobiert: Unter dem Titel „Menschenzentrierte Schichtplanung in der
Logistik“ arbeiteten am Lehrstuhl für Fördertechnik, Materialfluss und Logistik
der TU München sowie dem Lehrstuhl für International Relations der TUM
Expert:innen verschiedener Fachrichtungen zusammen.
Die Ausgangslage: Die
sattsam bekannte Entwicklung der Personalstände in der Logistik trifft vermehrt
auf den Einsatz von KI – geschieht letzterer ohne
Mitarbeiter:innen-Zentrierung, werden viele Arbeitsplätze (noch) unattraktiver.
Die Frage der Zufriedenheit im Job rückt also vermehrt in den Fokus,
Unternehmen müssen sich immer häufiger die Frage stellen, ob die
Arbeitsbedingungen gut genug sind – und wie sie Menschen langfristig an das
Unternehmen binden können.
„Was bedeutet Autonomie?“
Der interdisziplinäre
Ansatz brachte zwei Welten an den Tisch, die sehr unterschiedlich arbeiten.
„Techniker:innen sind tendenziell gewöhnt, Checklisten abzuarbeiten“, sagt
Charlotte Haid, Wissenschafterin an der TU München. „Die Ethik und die
Philosophie stellen hingegen in erster Linie Fragen: Was bedeutet Autonomie?
Macht KI Menschen weniger autonom? Und ist man überhaupt noch autonom, wenn man
nach Algorithmen handelt, die man nicht versteht?“ Entlang dieser beiden recht
unterschiedlichen Linien ein Planungssystem zu entwickeln, das Autonomie
erhalten oder fördern kann, war Kernziel des Forschungsprojekts.
Ausgehend von einer
Befragung der Mitarbeiter:innen hinsichtlich ihrer Präferenzen, was die
einzelnen Arbeitsplätze betrifft, entsteht unter Einsatz eines Algorithmus ein
Schichtplan, der möglichst weitgehend auf die Wünsche der Menschen eingeht. Der
Algorithmus ist auf die individuellen Anforderungen der jeweiligen (vor allem
mittelständischen) Unternehmen anpassbar.
Eine Frage der klaren
Kommunikation
„Ein Zugang wie jener
unseres Projekts kann natürlich zum Ergebnis führen, dass gewisse
Arbeitsplätzte besonders unbeliebt sind“, erzählt Charlotte Haid. „Idealerweise
erkennt das ein Unternehmen und zieht konkrete Schlüsse daraus. Gleichzeitig
ist aber auch klar, dass nicht alle Wünsche und Forderungen der
Mitarbeiter:innen erfüllt werden können. Es ist wie so oft eine Frage der
klaren Kommunikation: Was können Mitarbeiter:innen von einer solchen
Technologie erwarten – und was nicht? Genau das halte ich generell für ein
zentrales Thema bei neuen Technologien: Ängste zu nehmen und ehrlich zu
kommunizieren. Im Idealfall beteiligt man die Mitarbeiter:innen am
Entwicklungsprozess.“
Und sie äußert die
Hoffnung, dass entsprechende Ansätze auch auf die Wissenschaft selbst wirken: „Ich
habe generell den Eindruck, dass sich technische Disziplinen wie Logistik oder
Produktion Themen wie Ethik immer mehr öffnen – zumindest mit den nachrückenden
Generationen. Ich habe auch die Hoffnung, dass entsprechende Studiengänge diese
Bereiche vermehrt in ihre Curricula aufnehmen. Das täte nicht nur Bereichen wie
der Logistik wirklich gut – von solchem Austausch profitieren definitiv beide
Seiten.“