„Werte müssen

in die Herzen“

„Werte müssen in die Herzen“

Wirtschaftspsychologe Gunther Olesch über veränderte Erwartungen an die Arbeitswelt.

Herr Olesch, stimmt der Eindruck, dass die nachrückenden Generationen eine andere Einstellung gegenüber Arbeit haben als frühere? Dass etwa Unternehmenskultur für sie im Vordergrund steht?

Gunther Olesch: Ja, das hat sich deutlich verändert. Die Generationen, die jetzt in die Unternehmen drängen, sehen Arbeit als Bestandteil ihres Lebens – aber eben nur als einen von vielen und nicht mehr als den zentralen. Ihnen geht es um Life-Balance, nicht primär um Work-Life-Balance. Und sie sehen sehr genau hin, wie wohl sich andere Menschen in einem Unternehmen fühlen. Noch vor sechs Jahren haben nur 42 Prozent der Bewerber:innen auf Plattformen wie Kununu oder Great Place to Work recherchiert – heute sind es weit über 80 Prozent.

Im Recruiting-Prozess treffen sie aber auf die Generation der Babyboomer.

Olesch: So ist es, und die beiden sprechen leider oft aneinander vorbei. Die Babyboomer müssen also umdenken, sich in die Werte der Jungen hineindenken. Man glaubt ja immer, die eigenen Werte hätten Bestand, zum Teil gelten sie heute aber nicht mehr in diesem Ausmaß. Bedenken Sie: Heutige Jugendliche sind in einem gesättigten Markt groß geworden. Dieser Hunger nach Karriere, nach Aufstieg ist daher generell nicht mehr so stark. Ich habe mehrmals erlebt, dass junge Menschen das Angebot, Abteilungsleiter:in zu werden, abgelehnt haben, weil ihnen das nötige Investment in den Job zu hoch erschien. Ich hätte in diesem Alter zugesagt, ohne darüber nachzudenken!

Das wird allerdings gerne als Faulheit interpretiert?

Olesch: Platon hat schon vor 2.000 Jahren moniert, die Jugend seiner Zeit sei faul. Das ist also nichts Neues. Karriere nicht ins Zentrum des eigenen Lebens zu stellen und die Unternehmenskultur hoch zu bewerten – das bedeutet nicht, dass die Leistung geringer ist!

Wie definieren Sie denn eine gute Unternehmenskultur?

Olesch: Der Mensch muss wirklich im Mittelpunkt stehen, und die Arbeit muss auch Spaß machen. Ich rate dringend dazu, regelmäßig Mitarbeiter:innen-Befragungen durchzuführen. Die bringen äußerst wertvolle Erkenntnisse. Entscheider:innen glauben ja meist, für die Mitarbeiter:innen stünde die Vergütung im Vordergrund. Fragt man diese aber, kommen ganz andere Dinge: Wertschätzung, Purpose, Work-Life-Integration. Wenn Sie das Gehalt um 100 Euro erhöhen, wird niemand Hurra schreien. Sind sie oder er deshalb schlechte Mitarbeiter:innen? Was die Ausschüttung von Endorphin und Dopamin wirklich auslöst, ist Anerkennung, Sinnhaftigkeit – das wollen wir erleben! Die 100 Euro hingegen haben wir sehr schnell vergessen.

Es geht übrigens nicht darum, alle Wünsche der Mitarbeiter:innen zu erfüllen. Es geht darum, sich für die Menschen zu interessieren. Und zu begründen, warum manches eben nicht möglich ist. Am schlimmsten ist, wenn nach der Befragung nichts mehr kommt!

Wie beurteilen Sie die gängigen Darstellungen der Unternehmenswerte auf den Websites?

Olesch: Leider stimmt nur zu einem geringen Teil, was da steht. Das ist weitgehend austauschbar und wird auch so empfunden. Das Formulieren von Werten und Visionen geht ja recht schnell – die wahre Arbeit ist aber, die Werte auch zu leben. Und zwar auf allen Ebenen, auch am Band und beim Stapler. Werte müssen in die Köpfe, vor allem aber in die Herzen der Mitarbeiter:innen. Sonst bleiben sie völlig folgenlos.

Haben Sie konkrete Empfehlungen für Unternehmen, die Menschen für die Logistik begeistern wollen?

Olesch: Schafft eine starke Vision, die unbedingt auch den Aspekt der Nachhaltigkeit beinhaltet! Definiert entlang dieser Vision Werte und bringt sie jeden Tag ins Leben! Sich einer guten Unternehmenskultur zu widmen, ist ein absolutes Muss. Unternehmen, die das nicht tun, werden in fünf bis zehn Jahren nicht mehr existieren.

 

 

Zur Person

Gunther Olesch ist Professor für Wirtschaftspsychologie, Autor, Keynote-Speaker und vielfacher Preisträger im Bereich des Personalmanagements. Er berät mit seinem Unternehmen Go Performance UG Firmen hinsichtlich Unternehmens- und Führungskultur. Bis 2021 war er 20 Jahre in der Geschäftsleitung von Phoenix Contact für Human Relations, Information Technology und Facility Management Engineering verantwortlich.

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